Ich muss zugeben, ich habe nicht mehr mit ihr gerechnet. Irgendwie haben wir uns aus den Augen verloren, irgendwann – es muss im Winter 2020 gewesen sein. Früher hatten wir ein inniges Verhältnis. Wir sind zusammen durch dick und dünn. Sind um die Häuser gezogen, haben die Nacht zum Tag gemacht, waren unzertrennbar. Tage, Wochen, Monate… vom Buben zum Mann, stets war sie an meiner Seite und dann dieser plötzliche, unerwartete Abgang. Ohne Tschüss und Tschau – einfach weg. Natürlich habe ich sie vermisst. Nicht nur ich. Nein, alle die sie kannten und liebten sassen quasi im gleichen Boot und wanderten durch dieses dunkle Tal der Tränen.  Geflennt, gelitten, gehofft und gebetet haben wir und den Tag ihrer Rückkehr herbeigesehnt. Indes, es hat irgendwie nichts gebracht, ausser mehr Trauer. Mehr Verzweiflung. Mehr Tränen. Und dann, als ich sie schon abgeschrieben habe und sie nur noch ein Schatten meiner Erinnerung zu sein schien, klopfte es an einem kalten Januartag an meine Tür. Dumpf, zaghaft – doch eindeutig ein Klopfen. Zögerlich legte ich den Riegel beiseite, öffne das Schloss, drücke die Klinke und erspähe bereits durch den Türspalt das ersehnte Angesicht meiner alten Liebschaft. Ich fasse es nicht: Die Fasnacht steht vor der Tür! 

Völlig ungläubig öffne ich die Porte und mit einem kräftigen Schritt, steht sie mitten in meinem Wohnzimmer und schaut sich blitzschnell um. Ihr Anlitz erhellt sich, als sie das fein säuberlich gebügelte American-Football Kostüm sieht, welches Manuela Gobetti entworfen hat, den Egli-Grind mit Footballhelm und auch die Plaketten und Gönnerkarten liegen bereit. Innerlich atme ich auf, ich habe sie nicht enttäuscht. „Mann, wo warst du bloss?“, frage ich sie. Doch sie lenkt ab, schwafelt etwas von Work-Life Balance und einem Typen namens Pan D. Mee, der sie auf ein mexikanisches Bier eingeladen hätte. Völliger Schwachsinn. „Na, hast du mich vermisst?“, fragt sie keck. „Gesucht, haben wir dich von Rio bis nach Köln und zurück!“, entgegne ich ihr ziemlich genervt. Ich erkläre ihr, dass wir es ohne sie kaum ausgehalten haben. „Falls du es vergessen hast, wir Eglis hatten letztes Jahr ein Jubiläum. 2021 – 1966 ergibt 55 und das ist bekanntlich eine Schnapszahl – gerade du solltest das wissen!“, fahre ich sie an.

„OK, ok“, winkt sie ab, „das mit dem Typen hat sich eh‘ erledigt und ich verspreche dir und deinen Amigos, dass ich ab jetzt wieder für euch da bin – zumindest scheint ihr vorbereitet zu sein“.  Sprachs, und so schnell wie gekommen, war sie auch wieder verschwunden. War es nur ein Traum oder Wirklichkeit? 

Ortstermin Vitznau – Höhleguugerball. 

Schon die Eröffnung in Weggis hatte es eindrucksvoll gezeigt – das Volk war gewillt und nun, da die Bestimmungen es langsam zuliessen, schien es aufzugehen. Die Vitznauer machten es ihr einfach. Mit einem gelungenen Konzept, einer grandiosen Lichtshow und gut gelauntem Publikum lockten sie die Fasnacht aus ihrem Versteck. Die zahlreichen Gastmusigen gaben ihr Bestes und wir alle spürten in diesem Moment, dass sie unter uns weilt. Der Kälte und der damit einhergehenden Lufttrockenheit war es wohl geschuldet, dass wir unseren Flüssigkeitshaushalt entsprechend anpassen mussten und damit dem Kapellmeister die Sorgenfalten ins Gesicht tranken. Das abschliessende Jodelkonzert auf der zu frühen ÖV-Heimfahrt wurde nur durch die sinnlosen Stopps an sämtlichen Haltestellen unterbrochen. 

Sie tritt an die Öffentlichkeit

Plötzlich ging es dann ganz schnell: Radio, TV, Zeitungen – alle hatten sie wohl gesehen und plötzlich waren sich alle sicher: Sie kommt. Fix. Läuft bei uns. Und so traf man sich zum Egli-Ball. Neues Kleid, neuer Grind und altbekannte Gesichter. Herrlich. Nach dem holländischen Gold Apéro zogen wir zur Sigristhofstatt, wo wir für einmal in die Arbeitsrollen schlüpften. Tja, sie war halt wirklich sehr kurzentschlossen unsere alte Liebe. Doch siehe da, die Hudis kamen in Scharen und die Katzenstrecker Musik spielte munter zum Tanz. Aufgrund der Arbeitseinsätze durch die Mitglieder gelang auch der mitternächtliche Auftritt. Der Zusatz „light“ konnte ob der grandiosen Kulisse ganz schnell vergessen werden und es galt für einmal GGG: Gefeiert, Gesungen und Getanzt, bis manch‘ einer vor die shakespearsche Frage „Wein oder nicht Wein?“ bzw. „Heim oder Bleib’n?“ gestellt wurde.

Mit Gottes Segen auf allen Wegen

„Der frühe Vogel kann mich mal“ galt nicht für uns Eglis am Folgetag und für einmal wäre es wohl egal gewesen, wenn die Fasnacht uns kurzerhand von ihrer Tanzkarte gestrichen hätte. Doch immerhin rief der Dienst am Herrn und dies ist ja wohl Grund genug, sich in’s Dorf zu begeben. Während sich die einen an der Fasnachtsmesse in musikalisch höheren Sphären den Segen holten, verwandelten die anderen das Tollhaus wieder in ein Schulhaus. Dass man dabei der Damentoilette näher kommt als einem lieb ist, mussten sowohl Probejährler wie auch Ehrenmitglieder erfahren. Das Leben – es ist kein Ponyhof.  Apropos Pony…

Es schränzt bis zur Rigi und zurück

Wie gewohnt zog der Eglischwarm am Schmudo zahlreich nach Luzern. Auch dort hatte sich die Fasnacht rar gemacht und wurde deshalb mit offenen Herzen und den gewohnten Erfrischungsgetränken gebührend empfangen. Es bedurfte eines ganzen Freitags, um Form, Haar und Garderobe wieder auf Vordermann zu bringen, um an der Narrennacht das Jubiläumsständchen für die Rigischränzer gebührend zu spielen. Wir feierten gemeinsam durch die Nacht, machten an der Bar weiss zu grün und legten unter dem Stichwort „Tanzkurs“ eine interne Aktennotiz ab.    

Eglitours mal wieder Chur

Der Bündner Kantonshauptort war Schauplatz des nächsten Egli-Abenteuers, denn unsere Freundin hatte uns zugeflüstert, dass uns die Behörden das kleine Freudenfeuer auf dem Stadtkreisel verziehen hätten und die Sache als verjährt abgetan werden konnte. Was man aus Handyvideos zusammenschneiden kann, bewies Tourmanager Märk AKA Schnupfsilo mit seiner Car-DVD vom Feinsten. (Wir verweisen an dieser Stelle auf den Vorverkauf für das Heirassa-Festival). Der Auftritt auf dem Churer Kornplatz liess dann alle Zweifler verstummen, welche nicht an die Fasnacht ’22 glaubten und wird sich in die Herzen der Musikanten einbrennen. Die Menge tobte – ja sie flippte komplett aus. Wir spielten Zugaben und wähnten uns für einen Moment als Rockstars. Für einmal wurden wir nicht von der Security hinausgeworfen – sondern schützend von der Bühne geleitet. Es geschehen noch Zeichen und Wunder! Es wurde eine lange, lange Nacht. Doch wie sagt man so schön: What happens in Chur – stays in Republica Dominicana.

Güdelmäntig ist ein Feiertag

Nachdem am Sonntagabend sämtliche Untergruppierungen, Clubs und Verbände ihre jährlichen Versammlungen abgehalten hatten wurde der montägliche Morgenspaziergang mit einem knackigen Steilmarsch namens Tagwache eingeläutet. Statt danach wie gewohnt den Ehrenstammwirt um ein paar Plastiklöffeli zu bringen, durften wir aber das Chrampfer-Shirt auspacken und den halben Schulhausplatz für den abendlichen Gönneranlass in eine Football-Arena umgestalten. Die zahlreichen Wagengruppen und die vielen Fasnächtler:innen am Kinderumzug lassen hoffen, dass es in naher Zukunft in Weggis wieder einen „grossen“ Umzug gibt. Der Grundstein ist mehr als nur gelegt. Ein grosser Dank geht an die Munise*el und die gesamte Teilnehmer:Innenschaft. Abends durften wir Eglichutzler dann mit den langjährigen Gönnern einen wunderbaren Anlass zu Ehren des 55-jährigen Bestehens feiern. Das Fest wurde umrahmt von Football-Shows der Probejährler, einem American Style Buffet, dem Auftritt der Jubilare, einer Geschichtsreise und den fabulösen Les Lunettes – welche auch die letzte Maus aus den Löchern holte. Aktennotiz Tanzkurs: Check.

Chunsch au?  – Herisau !   

Noch einmal rief die Fasnacht an: „Chunsch au uf Herisau?“, fragte sie und so zog der gesamte Tross zur alten Fasnacht ins Land der gebrannten Kräuter. Auf den Strassen der Kleinstadt konnte man die Konfettis zwar noch an einer Schreinerhand abzählen, dafür konzentrierte sich das ganze Geschehen auf eine grosse Festhalle, in welcher des Nachts die Post abging, die Heimweh-Rigianer für Nachschub sorgten und nur das Scheinwerferlicht und die Security uns zur Heimkehr (bzw. zur Early Morning Bar) bewegten. 

Und was bleibt? Sind es die bangen Momente des Wartens und Hoffens auf die Fasnacht? Sind es die Erinnerungen an eine „halbe Fasnacht“ oder die Freude über die Wiedererlangung der „Freiheit“, welche überwiegen? Es ist wohl ein Mix aus alldem, aber eines ist uns klar geworden: Alte Liebe – rostet nicht!

Hudschibibra Hudschiba 

Eure Eglichutzler