Mit kalendarischer Genauigkeit beginnen die Eglichutzler ihre musikalische Probezeit am Chilbi-Sonntag und beenden diese mit dem Sonntag vor dem Egli-Ball. Trotz regelmässigen Diskussionen um den geeigneten Probetag hat sich der Sonntag in all den Jahren hartnäckig gehalten. Statt sonntägliche Abendruhe und besinnliche Vorbereitung auf den bevorstehenden Wochenstart im Kreise seiner Lieben, heisst es Musizieren im Kreise seiner Freunde. Ausgerechnet im Jubeljahr 2016 verkürzt sich die ohnehin schon knappe Zeitspanne zusätzlich durch den überaus frühen Fasnachtsbeginn. In kaum mehr als 10 Gesamtproben müssen mindestens drei neue Stücke eingeübt und die Auftrittsreife der älteren Stücke wiedererlangt werden.


Die richtige Wahl

Zu den alljährlichen Qualen jedes Tambourmajors gehört das stete Suchen nach neuen Musikstücken. Sie müssen eine eingängige Melodie aufweisen, das Publikum in den Bann ziehen, dürfen keine Eintagsfliegen sein und nicht von jeder beliebigen Guggenmusik gespielt werden. Es soll gleichzeitig die Musikanten fordern, aber auch nicht überfordern. So muss der Auftritt auch dann gelingen, wenn er unter erschwerten Bedingungen stattfindet, also in einem leicht promillisierten Zustand. Nicht alles, was dem Kapellmeister gefällt, ist auch geeignet für seine Kapelle. Hie und das setzt sich diese Erkenntnis erst nach einigen knorrigen Übungseinheiten durch und so verwundert es nicht, dass jeder Tambi die eine oder andere Totgeburt in seinem Repertoire zu verzeichnen hat. Stellvertretend seien Nescafe, Brown eyed Girl, Wild Boys genannt, die trotz enormem Übungsaufwand nie Auftrittsreife erlangt haben oder nach einem ersten missglückten Auftritt in die Asservatenkammer des Tambis verbannt wurden. Während früher die Musikstücke meist durch diktatorische Entscheide der Tambourmajore ausgewählt wurden, kommt heute eine beratende, paritätisch zusammengesetzte Musikkommission zum Einsatz. Der Stichentscheid über Sein oder Nichtsein bleibt aber beim Tambi.


Mit Zahlen gegen den musikalischen Analphabetismus

In den Anfangszeiten der Eglichutzler reichte es, wenn die Trompeten die Melodie spielten und die übrigen Blasinstrumente mehr oder weniger koordiniert etwas dazu brummten. Dimi’s legendärer posaunistischer Zweiklang fand in jedem Stück Unterschlupf. Angelehnt an die Bezeichnung „Bettler und Könige“ erbliesen sich die Trompeten schon damals den Thron des Königsregisters. Heute sind die Ansprüche der Musikanten und der Zuhörerschaft deutlich gestiegen. Mehrstimmigkeit, ausgefeilte Bassläufe und packende Rhythmen haben sich durchgesetzt. Und das in Zeiten, in denen eine musikalische Grundausbildung bei den meisten Mitgliedern nicht existent ist. Gerade weil im Rahmen von Sparprogrammen der Kantone und Gemeinden Fördergelder an die Musikschulen gestrichen werden, müssen vermehrt die Guggenmusigen in die Bresche springen und den musikalischen Bildungsauftrag der Gesellschaft übernehmen. Aber wie bringt man nun musikbildungsfremden, nichtnotenlesenden Musikanten neue Stücke bei? Mit Zahlen statt Noten! Die meisten Blasinstrumente verfügen über drei Ventile. Mit Hilfe eines Zahlencodes wird dem Musikanten angezeigt, in welcher Reihenfolge und Kombination er die Ventile niederdrücken muss. In mühsamer Handarbeit werden also die einzelnen Noten in Zahlen umgewandelt und den Musikanten abgeben. Danach heisst es üben, üben, üben.


Höhentraining

Bärenzingel, Gschwend und Unterstetten; das sind die bevorzugten Destinationen für das alljährliche musikalische Höhentraining. Wobei sich das Restaurant Unterstetten mit dem unverwüstlichen Gastgeber Bill in den letzten Jahren klar durchgesetzt hat. Die Tambourmajoren kommen und gehen, aber die Zielsetzung dieses Höhentrainings bleibt: Auftrittsreife für das gesamte Repertoire erreichen und dabei auch das Gesellige pflegen. Der Unterstetten-Beizer erfreut sich vor allem am umsatzstarken zweiten Teil dieser Zielsetzung. Das ganze Haus wird jeweils von top motivierten Eglichutzlern in Beschlag genommen. Kein Winkel bleibt vom kakophonischen Amok verschont. In einem straffen Zeitplan werden Registerproben in den verschiedenen Schlafräumen abgehalten und mit den Gesamtproben in der Gaststube die restlichen Gäste zu einem frühzeitigen Aufbrechen motiviert. Die Kombination von intensivem Musizieren, entspannendem Jassen, verbunden mit dem Zuführen von gebrannten Wassern und Schlafentzug fordert regelmässig seine Opfer. Hartnäckig hält sich jedoch eine Fehlinterpretation zum Begriff „Höhentraining“: Nicht in der Höhe „Höch“ haben sondern in der Höhe hochklassig üben. Gegen Kopfschmerzen hilft meist ein Panadol oder ein Ballon Dôle und für lädierte Lippen weiss der Musik-Methusalem Schäri ein Geheim-Rezept. Der Schlusspunkt hinter diese Probestrapazen setzt jeweils das Platzkonzert auf dem Dorfplatz Rigi-Kaltbad – eine erste, wichtige Standortbestimmung für den Übungsleiter und seine Mannen.


Abgerechnet wird am Egliball

All die Mühen, Strapazen und Entbehrungen der vergangenen Monate haben ein grosses Ziel: Brillieren am Egliball. Der Ball ist somit die unbestechliche Zäsur über das musikalische Schaffen. Plagende Fragen wie: Mit welchem Stück soll begonnen werden? Wie kommen die neue Stücke an? Springt der Funke und sind die Musikanten auf der Höhe ihres Schaffens? beschäftigen jeden Tambi schon Stunden vor dem zeremoniellen Mitternachtsauftritt. Je näher der Auftritt kommt, desto höher steigt die Nervosität beim Übungsleiter und den Musikanten. Die Erleichterung ist dann umso grösser wenn die hohen Erwartungen erfüllt und das Publikum begeistert werden konnte. Und so ist der Tambi bei jedem Auftritt aufs Neue gefordert das passende Repertoire zu wählen, abgestimmt auf das Publikum und auf die physische sowie psychische Verfassung seines Orchesters. Unvergessliche Höhenflüge, aber auch einige gnadenlose musikalisch Abstürze pflastern den Weg eines jeden Tambourmajors.

Dem Leithammel Lukas Zurmühle und seinen Mannen steht noch ein langer Weg bis zum Egliball bevor. Die ersten Müsterchen lassen aber buchstäblich aufhorchen und machen Lust auf mehr.